Biographisches Stichwort
Immanuel Johann Gerhard Scheller,
am 22. März 1735 in Ihlow bei Dahme (Kursachsen) geboren, war
der Sohn eines Predigers, der freilich schon starb, als Scheller
fünf Jahre alt war. Von 1740 an mußte die Mutter allein für
ihre neun Kinder sorgen. Scheller besuchte die Schule in Apolda,
später das Lyzeum in Eisenberg, und 1752 kam er als Alumnus zur Thomasschule in Leipzig, wo er bald als "vorzüglicher
Latinist" galt. Nach dem Studium der Theologie und
Philologie in Leipzig übernahm er 1761 das Rektorat des Lyzeums
in Lübben (Niederlausitz), das er über zehn Jahre lang
innehatte. 1771 wird er auf Vorschlag des preußischen
Unterrrichtsmininisters Freiherr von Zedlitz Rektor und Professor
des königlichen Gymnasiums in Brieg, wo er bis zu seinem Tode - am 5. Juli 1803
- bleibt. Bögel berichtet, daß Brieg seinen großen Sohn durch ein Denkmal am
Eingang des alten evangelischen Friedhofs geehrt hat: ein aufgeschlagenes Buch,
auf dem "Lexicon Scheller" zu lesen ist; auch eine Straße in Brieg
soll seinen Namen tragen. Als Lehrer und Organisator "weniger begabt", führte
Scheller ein
stilles, aber fruchtbares Gelehrtendasein. Neben vielen anderen
philologischen Arbeiten verfaßte er zunächst ein "Kleines
lateinisches Wörterbuch" (1779), dem bald das
"Ausführliche Lexikon" (1783) folgte. Als Auszug
daraus erschien 1792 das "Lateinisch-deutsche
Handlexikon", eine lange Zeit "die deutschen Gymnasien
beherrschendes, vortreffliches Buch", das nach Schellers Tod
von Lünemann, später von Georges bearbeitet wurde und auf diese
Weise seit über 200 Jahren und bis auf den heutigen Tag gute
Dienste leistet. Scheller gilt als der "Stammvater der modernen
lateinischen Lexikographie" (Dietfried Krömer). Er gliedert als erster die
Wortbedeutungen mit Ziffern und Buchstaben, geht streng alphabetisch vor und
hält sich auch in seinen Einleitungen an die deutsche Sprache.
Vgl. auch die Artikel über Billerbeck,
Kloker, Lünemann
und Schönberger,
sowie die englische Version von Riddle und die niederländische von Ruhnken.
Auch das "Kleine lateinische Wörterbuch" wurde ins Niederländische
übersetzt. Eines der Schellerschen Wörterbücher ist offenbar von Ignaz Seibt
überarbeitet, aber nicht mehr veröffentlicht worden: "Eine Ueberarbeitung
des großen Wörterbuches Scheller's, 241 1/2 Bogen stark, ist noch
Manuscript" (Wurzbach).
Kleines lateinisches Wörterbuch
worin die bekanntesten Wörter verzeichnet, die gewöhnlichsten
Bedeutungen derselben möglichst genau, deutlich und bestimmt
vorgetragen, auch die gebräuchlichsten Redensarten angeführt
und erklärt sind
* 1. Aufl. 1779 [diese Auflage ist offenbar auch in den Bibliotheken nicht
vorhanden]
* 2. sehr verb. und verm. Aufl. Leipzig 1781 (Fritsch), XV, [1],
314 S., [50] Bl. (Originalpreis 1781: 12 Groschen, antiqu. EUR
60,-/85,-)
* 3. von neuem durchgehends sehr verb. u. verm. Aufl., Leipzig
1790 (Fritsch), XIV, 372 S., 54 Bl. (antiqu. EUR 64,-)
* 4. von neuem durchges. u. verb. Aufl. Leipzig 1811 (Hahn), bearb. G.
H. Lünemann, XVI, 345 S., (1) S., 52 Bl. (antiqu. EUR 25,-/61,-)
* 5. Aufl.
Leipzig 1816 (Hahn), von neuem durchges. und verb. von G.H. Lünemann, XVI, 343 S.,
52 Bl. (antiqu.
EUR 31,-/45,-)
* 6. Aufl. Leipzig 1826 (Hahn), hg. G.H. Lünemann, von neuem durchges. und verb.
von H.L.J. Billerbeck, XV, 311 S. (antiqu. EUR 18,-)
Eine "7. gänzlich umgearbeitete Auflage des kleinen Schellerschen etymologischen Wörterbuches" hat Georges 1841 besorgt. Auch wenn von einem "etymologischen" Wörterbuch die Rede ist, dürfte damit das "Kleine lateinische Wörterbuch" gemeint sein.
Neben den Leipziger Ausgaben sind mindestens zwei Auflagen "zum Gebrauche der Pfalzbaierischen Schulen" in München erschienen:
* 3. sehr verb. und verm. Aufl. München 1785 (
Lentner), XV, [1],
314 S., [50] Bl. (antiqu. EUR 120,-)
* Neueste durchgehends sehr verb. und verm. Aufl. München
1792 (Lentner), XIV S., [1] Bl., 372 S., [53] Bl.
Im Jahr 1785 erschien auch eine niederländische Übersetzung.
1788 wurde in Bern ein Auszug aus dem "kleinen Scheller" für die unteren Klassen veröffentlicht:
Auszug aus Joh. Gerh. Schellers kleinem lateinischen
Wörterbuch
zum Gebrauch des untern Curriculi der Literar-Schule zu
Bern
* Bern 1788 (B.F. Fischer), IV, 244 S. (antiqu. EUR 64,-/68,-)
Schließlich hat Ernst Zimmermann 1814 zu dem lateinisch-deutschen einen deutsch-lateinischen Teil hinzugefügt.
Ausführliches und möglichst vollständiges
lateinisch-deutsches Lexicon
oder Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Übung
in der lateinischen Sprache
* 1. Aufl. Leipzig 1783 (Caspar Fritsch), 2 Bde., 1 Bl. + XXXIII
+ 3472 Sp. (antiqu. zus. mit dem dt.-lat. Bd. EUR 133,-)
* 2. ganz umgearb. u. sehr verm. Aufl. Leipzig 1788 (C.
Fritsch), 3 Bde., Bd. 1 (A-F), Bd. 2 (G-P), Bd. 3 (Q-Z), zus. 37, [4] S., 7834 Sp.,
[5] S. (antiqu. EUR 107,-/409,-)
* 3., von neuem verb. u. sehr verm. Aufl. Leipzig
1804-05 (Fritsch), 5 Bde. (antiqu. EUR 165,-/500,-)
Aufteilung der fünf Bände wie folgt: A-C:
Sp. 1-2618, D-K: Sp. 2619 - 5454, L-O:
Sp. 5455-7314, P-R: Sp. 7315-9604, S-Z:
Sp. 9605-12562
Die beiden Bände der 1. Auflage kosten 1783 zusammen 1 Reichstaler und 20 Groschen - "äußerst billige Preiße", wie der Verlag in einer Eigenanzeige stolz mitteilt.
Bei der monumentalen dritten Auflage dürfte es sich um das umfangreichste lateinisch-deutsche Wörterbuch überhaupt handeln: fünf Bände mit insgesamt 12.562 Spalten (zusammen mit dem zweibändigen deutsch-lateinischen Teil sind es gar sieben Bände und 16.306 Spalten)! Und wenn auch viel Kritisches dazu gesagt wurde, so sollte man bedenken, daß Scheller in der schlesischen Provinz keinerlei Zugang zu den großen Universitäten wie Leipzig, Berlin oder Göttingen hatte, wo "die ansehnlichsten und reichhaltigsten öffentlichen und Privatbibliotheken den Gebrauch aller Werke darbiethen". Er war fast ausschließlich auf seine eigenen Bücher angewiesen.
Das Frontispiz neben dem Titelblatt (Ausschnitt links) zeigt übrigens die Göttin Athene, auf ihrem Schoß mehrere Lorbeerkränze mit den Namen bedeutender Lexikographen (erkennbar sind z.B. Papias, Gesner und Faber), doch ruht der sichtlich wohlwollende Blick der Göttin auf dem Kranz mit der Inschrift "Scheller".
Die Vorrede zur dritten Auflage trägt das Datum "Brieg, im Monat März 1803". Die Befürchtung des Verfassers, daß er "bey meinem Alter nicht leicht hoffen kann, eine neue Ausgabe dieses Buchs zu erleben", sollte sich leider bewahrheiten - Scheller starb nach kurzer Krankheit am 5. Juli 1803. Sein ausführliches Lexikon wurde nicht mehr fortgeführt, dagegen erlebte das kürzere "Handlexikon" unter Lünemann und Georges eine beispiellose Karriere.
Ausführliches und möglichst vollständiges
deutsch-lateinisches Lexicon
oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache
Der große Vorzug dieses deutsch-lateinischen Lexikons ist die schier unglaubliche Sorgfalt, die Scheller auf die Bedeutungsvielfalt der deutschen Wörter verwendet hat. Wer sehen will, wie fremd uns heute das Vokabular der Goethezeit ist, sollte einmal in Schellers Lexikon blättern!
* 1. Aufl. Leipzig 1784 (Caspar Fritsch), 8 Bl., 1984 Sp., 2
Bl. (antiqu. EUR 179,-)
* 2., sehr vermehrte und verbesserte Aufl., Leipzig 1789 (Caspar
Fritsch), XL, 2840 Sp. (antiqu. EUR 140,-/193,-)
* 3. von neuem verbesserte und sehr vermehrte Auflage, 2 Bände,
Leipzig 1805 (Caspar Fritsch), 3744 Sp. (A-L: XXXIV S., 1888 Sp.) (antiqu. zus.
EUR 46,-/150,-)
Die 1. Auflage wurde für 1 Thaler 12 Groschen abgegeben, zusammen mit dem
lateinisch-deutschen Teil kostete sie 4 Thaler.
Lateinisch-deutsches und
deutsch-lateinisches Handlexikon
vornehmlich für Schulen
Erster oder lateinisch-deutscher Theil
* 1. Aufl. Leipzig 1792 (Fritsch), 1720 Sp. [oder XX S., 3214
Sp.?] (antiqu. EUR 77,-/185,-)
* 2. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1796 (Fritsch), 2 Bde., zus.
3214 S. (antiqu. EUR 80,-/153,-)
Nach Schellers Tod (1803) wurde das Handlexikon von Georg Heinrich Lünemann
fortgeführt. Womöglich rührt daher der Bruch in der
fortlaufenden Zählung der Auflagen. Die folgende Wiener Auflage steht etwas
isoliert da, für eine dritte Auflage, die um 1800 (also noch zu Schellers
Lebzeiten) herausgekommen sein dürfte, fehlen mir noch die bibliographischen
Angaben.
* 4. verb. und verm. Aufl. Wien 1806 (B. Ph. Bauer), bearb. G.H.
Lünemann, 32, 1728 S. (antiqu. EUR 100,-)
* Leipzig 1807 (Fritsch), von neuem durchges., verb. verm. durch
G. H. Lünemann, 2 Bde., XXX, 1728 S. (antiqu. EUR 102,-)
* 2. Aufl. Leipzig 1812 (Hahn), 2 Bde., zus. XXX, 1728 S.
(antiqu. EUR 66,-/69,-)
* 3. verb. und verm. Aufl., von neuem durchges., verb. und
verm. durch G. H. Lünemann, Leipzig 1817 (Hahn), XXX, 1732 S., Bd. 1 (A-L): XXX,
827 S., Bd. 2 (M-Z), S. 831-1732 (antiqu. zus. mit dem
deutsch-lat. Bd. EUR 64,-)
* 4. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1820 (Hahn), 2 Bde., Bd. 1 (A-L), 826 S., Bd.
2 (M-Z): S. 827-1730
* 5. verm. und verb. Aufl. Leipzig 1822 (Hahn), 2 Bde., XVII, 3422
S., Bd. 1 (A-L): 1636 Sp., Bd. 2 (M-Z): Sp. 1641-3422 (antiqu. zus. 25,-/81,- EUR,
Bd. 2 allein 25,- EUR, beide zus. mit dem dt.-lat. Teil
EUR 115,-)
Zweiter oder deutsch-lateinischer Theil
* 1. Aufl. Leipzig 1792 (Fritsch) (antiqu. EUR 51,-)
* 2., von neuem genau durchges. u. verb., auch hier u. da verm.
Aufl., Leipzig 1796 (Fritsch), 1832 Sp. (antiqu. EUR 61,-/70,-)
Die folgenden Auflagen wurden von Lünemann besorgt:
* Leipzig 1807 (Fritsch), 940 S.
* 2. Aufl. Leipzig 1812 (Hahn), XII, 940 S.
* 3. verm. und verb. Aufl. Leipzig 1817 (Hahn), XII, 1032 S. (antiqu.
zus. mit dem lat.-deutschen Bd. EUR 64,-)
* 4. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1820 (Hahn), 1053 S.
* 5. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1822 (Hahn), 2286 Sp., 16 Bl. (antiqu.
EUR 38,-/51,-)
Die 6. Auflage (1826) ließ Lünemann unter seinem eigenen Namen erscheinen:
Georg Heinr. Lünemann's lateinisch-deutsches und
deutsch-lateinisches Handwörterbuch
nach Imm. Joh. Gerh. Schellers Anlage neu bearbeitet
* 6. verb u. verm. Aufl. Leipzig 1826 (Hahn), insges. 3 Bde.,
lateinisch-deutsch: 2 Bde., Bd. 1: 1664 Sp., Bd. 2: Sp. 1669-3470 Sp., deutsch-lateinisch: 1
Bd., 2378 Sp. (antiqu. zus. 184,- EUR, die lat.-dt. Bde.
allein 26,-/50,- EUR, der dt.-lat. Band allein EUR 48,-/62,-)
Die 7. Auflage hat Lünemann, der 1830 nach
langer Krankheit starb, nicht mehr vollenden können. An seine Stelle trat
als neuer Bearbeiter Karl Ernst Georges.
Franz Xaver Schönberger
hat
Schellers und Lünemanns Wörterbuch zu einem "Schul-Lexikon
für die Österreichischen Staaten" umgearbeitet:
* Wien und Triest
1818-20 (Geistinger), 3 Bde., Bd. 1: lateinisch-deutsch, A-L, 968 S., Bd.
2: lateinisch-deutsch, M-Z, 960 S., Bd . 3: deutsch-lateinisch,
1054 S. (antiqu. zus. EUR 38,-)
["von neuem durchges., verb. u. verm. durch G. H. Lünemann, ...
zu einem allgemeineren Gebrauche mit beträchtlichen Vermehrungen
hrsg. von Franz Xaver Schönberger"]
Vgl. auch Georges, der nach Lünemanns Tod neuer Bearbeiter wurde und das Wörterbuch dann über Jahrzehnte hinweg betreute.
Wenn Sie auf dieser Seite Fehler entdeckt haben oder etwas
hinzufügen möchten, schicken Sie mir bitte eine E-Mail . Ich bin für
jeden Hinweis dankbar!
Falls Sie sich auf meinen Seiten verirrt haben oder ganz einfach
nur zur Begrüßungsseite zurückkehren möchten, dann klicken
Sie bitte hier.