Scheller, Immanuel Johann Gerhard (1735-1803)


Biographisches Stichwort

Immanuel Johann Gerhard Scheller, am 22. März 1735 in Ihlow bei Dahme (Kursachsen) geboren, war der Sohn eines Predigers, der freilich schon starb, als Scheller fünf Jahre alt war. Von 1740 an mußte die Mutter allein für ihre neun Kinder sorgen. Scheller besuchte die Schule in Apolda, später das Lyzeum in Eisenberg, und 1752 kam er als Alumnus zur Thomasschule in Leipzig, wo er bald als "vorzüglicher Latinist" galt. Nach dem Studium der Theologie und Philologie in Leipzig übernahm er 1761 das Rektorat des Lyzeums in Lübben (Niederlausitz), das er über zehn Jahre lang innehatte. 1771 wird er auf Vorschlag des preußischen Unterrrichtsmininisters Freiherr von Zedlitz Rektor und Professor des königlichen Gymnasiums in Brieg, wo er bis zu seinem Tode - am 5. Juli 1803 - bleibt. Bögel berichtet, daß Brieg seinen großen Sohn durch ein Denkmal am Eingang des alten evangelischen Friedhofs geehrt hat: ein aufgeschlagenes Buch, auf dem "Lexicon Scheller" zu lesen ist; auch eine Straße in Brieg soll seinen Namen tragen. Als Lehrer und Organisator "weniger begabt", führte Scheller ein stilles, aber fruchtbares Gelehrtendasein. Neben vielen anderen philologischen Arbeiten verfaßte er zunächst ein "Kleines lateinisches Wörterbuch" (1779), dem bald das "Ausführliche Lexikon" (1783) folgte. Als Auszug daraus erschien 1792 das "Lateinisch-deutsche Handlexikon", eine lange Zeit "die deutschen Gymnasien beherrschendes, vortreffliches Buch", das nach Schellers Tod von Lünemann, später von Georges bearbeitet wurde und auf diese Weise seit über 200 Jahren und bis auf den heutigen Tag gute Dienste leistet. Scheller gilt als der "Stammvater der modernen lateinischen Lexikographie" (Dietfried Krömer). Er gliedert als erster die Wortbedeutungen mit Ziffern und Buchstaben, geht streng alphabetisch vor und hält sich auch in seinen Einleitungen an die deutsche Sprache.
Vgl. auch die Artikel über
Billerbeck, Kloker, Lünemann und Schönberger, sowie die englische Version von Riddle und die niederländische von Ruhnken. Auch das "Kleine lateinische Wörterbuch" wurde ins Niederländische übersetzt. Eines der Schellerschen Wörterbücher ist offenbar von Ignaz Seibt überarbeitet, aber nicht mehr veröffentlicht worden: "Eine Ueberarbeitung des großen Wörterbuches Scheller's, 241 1/2 Bogen stark, ist noch Manuscript" (Wurzbach).


Kleines lateinisches Wörterbuch
worin die bekanntesten Wörter verzeichnet, die gewöhnlichsten Bedeutungen derselben möglichst genau, deutlich und bestimmt vorgetragen, auch die gebräuchlichsten Redensarten angeführt und erklärt sind

* 1. Aufl. 1779 [diese Auflage ist offenbar auch in den Bibliotheken nicht vorhanden]
* 2. sehr verb. und verm. Aufl. Leipzig 1781 (Fritsch), XV, [1], 314 S., [50] Bl. (Originalpreis 1781: 12 Groschen, antiqu. EUR 60,-/85,-)
* 3. von neuem durchgehends sehr verb. u. verm. Aufl., Leipzig 1790 (Fritsch), XIV, 372 S., 54 Bl. (antiqu. EUR 64,-)
* 4. von neuem durchges. u. verb. Aufl. Leipzig 1811 (Hahn), bearb. G. H. Lünemann, XVI, 345 S., (1) S., 52 Bl. (antiqu. EUR 25,-/61,-)
* 5. Aufl. Leipzig 1816 (Hahn), von neuem durchges. und verb. von G.H. Lünemann, XVI, 343 S., 52 Bl. (antiqu. EUR 31,-/45,-)
* 6. Aufl. Leipzig 1826 (Hahn), hg. G.H. Lünemann, von neuem durchges. und verb. von H.L.J. Billerbeck, XV, 311 S. (antiqu. EUR 18,-)

Eine "7. gänzlich umgearbeitete Auflage des kleinen Schellerschen etymologischen Wörterbuches" hat Georges 1841 besorgt. Auch wenn von einem "etymologischen" Wörterbuch die Rede ist, dürfte damit das "Kleine lateinische Wörterbuch" gemeint sein.

Neben den Leipziger Ausgaben sind mindestens zwei Auflagen "zum Gebrauche der Pfalzbaierischen Schulen" in München erschienen:

* 3. sehr verb. und verm. Aufl. München 1785 ( Lentner), XV, [1], 314 S., [50] Bl. (antiqu. EUR 120,-) 
* Neueste durchgehends sehr verb. und verm. Aufl. München 1792 (Lentner), XIV S., [1] Bl., 372 S., [53] Bl.

Im Jahr 1785 erschien auch eine niederländische Übersetzung. 

1788 wurde in Bern ein Auszug aus dem "kleinen Scheller" für die unteren Klassen veröffentlicht:

Auszug aus Joh. Gerh. Schellers kleinem lateinischen Wörterbuch
zum Gebrauch des untern Curriculi der Literar-Schule zu Bern

* Bern 1788 (B.F. Fischer), IV, 244 S. (antiqu. EUR 64,-/68,-)

Schließlich hat Ernst Zimmermann 1814 zu dem lateinisch-deutschen einen deutsch-lateinischen Teil hinzugefügt.


Ausführliches und möglichst vollständiges lateinisch-deutsches Lexicon
oder Wörterbuch zum Behufe der Erklärung der Alten und Übung in der lateinischen Sprache

* 1. Aufl. Leipzig 1783 (Caspar Fritsch), 2 Bde., 1 Bl. + XXXIII + 3472 Sp. (antiqu. zus. mit dem dt.-lat. Bd. EUR 133,-)
* 2. ganz umgearb. u. sehr verm. Aufl. Leipzig 1788 (C. Fritsch), 3 Bde., Bd. 1 (A-F), Bd. 2 (G-P), Bd. 3 (Q-Z), zus. 37, [4] S., 7834 Sp., [5] S. (antiqu. EUR 107,-/409,-)
* 3., von neuem verb. u. sehr verm. Aufl. Leipzig 1804-05 (Fritsch), 5 Bde. (antiqu. EUR 165,-/500,-)
Aufteilung der fünf Bände wie folgt: A-C: Sp. 1-2618, D-K: Sp. 2619 - 5454, L-O: Sp. 5455-7314, P-R: Sp. 7315-9604, S-Z: Sp. 9605-12562

Die beiden Bände der 1. Auflage kosten 1783 zusammen 1 Reichstaler und 20 Groschen - "äußerst billige Preiße", wie der Verlag in einer Eigenanzeige stolz mitteilt.

Bei der monumentalen dritten Auflage dürfte es sich um das umfangreichste lateinisch-deutsche Wörterbuch überhaupt handeln: fünf Bände mit insgesamt 12.562 Spalten (zusammen mit dem zweibändigen deutsch-lateinischen Teil sind es gar sieben Bände und 16.306 Spalten)! Und wenn auch viel Kritisches dazu gesagt wurde, so sollte man bedenken, daß Scheller in der schlesischen Provinz keinerlei Zugang zu den großen Universitäten wie Leipzig, Berlin oder Göttingen hatte, wo "die ansehnlichsten und reichhaltigsten öffentlichen und Privatbibliotheken den Gebrauch aller Werke darbiethen". Er war fast ausschließlich auf seine eigenen Bücher angewiesen.

Das Frontispiz neben dem Titelblatt (Ausschnitt links) zeigt übrigens die Göttin Athene, auf ihrem Schoß mehrere Lorbeerkränze mit den Namen bedeutender Lexikographen (erkennbar sind z.B. Papias, Gesner und Faber), doch ruht der sichtlich wohlwollende Blick der Göttin auf dem Kranz mit der Inschrift "Scheller".

Die Vorrede zur dritten Auflage trägt das Datum "Brieg, im Monat März 1803". Die Befürchtung des Verfassers, daß er "bey meinem Alter nicht leicht hoffen kann, eine neue Ausgabe dieses Buchs zu erleben", sollte sich leider bewahrheiten - Scheller starb nach kurzer Krankheit am 5. Juli 1803. Sein ausführliches Lexikon wurde nicht mehr fortgeführt, dagegen erlebte das kürzere "Handlexikon" unter Lünemann und Georges eine beispiellose Karriere.  


Ausführliches und möglichst vollständiges deutsch-lateinisches Lexicon
oder Wörterbuch zur Übung in der lateinischen Sprache

Der große Vorzug dieses deutsch-lateinischen Lexikons ist die schier unglaubliche Sorgfalt, die Scheller auf die Bedeutungsvielfalt der deutschen Wörter verwendet hat. Wer sehen will, wie fremd uns heute das Vokabular der Goethezeit ist, sollte einmal in Schellers Lexikon blättern!

* 1. Aufl. Leipzig 1784 (Caspar Fritsch), 8 Bl., 1984 Sp., 2 Bl. (antiqu. EUR 179,-)
* 2., sehr vermehrte und verbesserte Aufl., Leipzig 1789 (Caspar Fritsch), XL, 2840 Sp. (antiqu. EUR 140,-/193,-)
* 3. von neuem verbesserte und sehr vermehrte Auflage, 2 Bände, Leipzig 1805 (Caspar Fritsch), 3744 Sp. (A-L: XXXIV S., 1888 Sp.) (antiqu. zus. EUR 46,-/150,-)

Die 1. Auflage wurde für 1 Thaler 12 Groschen abgegeben, zusammen mit dem lateinisch-deutschen Teil kostete sie 4 Thaler.


Lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handlexikon
vornehmlich für Schulen

Erster oder lateinisch-deutscher Theil


* 1. Aufl. Leipzig 1792 (Fritsch), 1720 Sp. [oder XX S., 3214 Sp.?] (antiqu. EUR 77,-/185,-)
* 2. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1796 (Fritsch), 2 Bde., zus. 3214 S. (antiqu. EUR 80,-/153,-)

Nach Schellers Tod (1803) wurde das Handlexikon von Georg Heinrich Lünemann fortgeführt. Womöglich rührt daher der Bruch in der fortlaufenden Zählung der Auflagen. Die folgende Wiener Auflage steht etwas isoliert da, für eine dritte Auflage, die um 1800 (also noch zu Schellers Lebzeiten) herausgekommen sein dürfte, fehlen mir noch die bibliographischen Angaben.

* 4. verb. und verm. Aufl. Wien 1806 (B. Ph. Bauer), bearb. G.H. Lünemann, 32, 1728 S. (antiqu. EUR 100,-)

* Leipzig 1807 (Fritsch), von neuem durchges., verb. verm. durch G. H. Lünemann, 2 Bde., XXX, 1728 S. (antiqu. EUR 102,-)
* 2. Aufl. Leipzig 1812 (Hahn), 2 Bde., zus. XXX, 1728 S. (antiqu. EUR 66,-/69,-)
* 3. verb. und verm. Aufl., von neuem durchges., verb. und verm. durch G. H. Lünemann, Leipzig 1817 (Hahn), XXX, 1732 S., Bd. 1 (A-L): XXX, 827 S., Bd. 2 (M-Z), S. 831-1732 (antiqu. zus. mit dem deutsch-lat. Bd. EUR 64,-)
* 4. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1820 (Hahn), 2 Bde., Bd. 1 (A-L), 826 S., Bd. 2 (M-Z): S. 827-1730
* 5. verm. und verb. Aufl. Leipzig 1822 (Hahn), 2 Bde., XVII, 3422 S., Bd. 1 (A-L): 1636 Sp., Bd. 2 (M-Z): Sp. 1641-3422 (antiqu. zus. 25,-/81,- EUR, Bd. 2 allein 25,- EUR, beide zus. mit dem dt.-lat. Teil EUR 115,-)

Zweiter oder deutsch-lateinischer Theil

* 1. Aufl. Leipzig 1792 (Fritsch) (antiqu. EUR 51,-)
* 2., von neuem genau durchges. u. verb., auch hier u. da verm. Aufl., Leipzig 1796 (Fritsch), 1832 Sp. (antiqu. EUR 61,-/70,-)

Die folgenden Auflagen wurden von Lünemann besorgt:

* Leipzig 1807 (Fritsch), 940 S.
* 2. Aufl. Leipzig 1812 (Hahn), XII, 940 S. 
* 3. verm. und verb. Aufl. Leipzig 1817 (Hahn), XII, 1032 S. (antiqu. zus. mit dem lat.-deutschen Bd. EUR 64,-)
* 4. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1820 (Hahn), 1053 S.
* 5. verb. und verm. Aufl. Leipzig 1822 (Hahn), 2286 Sp., 16 Bl. (antiqu. EUR 38,-/51,-)


Die 6. Auflage (1826) ließ Lünemann unter seinem eigenen Namen erscheinen:

Georg Heinr. Lünemann's lateinisch-deutsches und deutsch-lateinisches Handwörterbuch
nach Imm. Joh. Gerh. Schellers Anlage neu bearbeitet

* 6. verb u. verm. Aufl. Leipzig 1826 (Hahn), insges. 3 Bde., lateinisch-deutsch: 2 Bde., Bd. 1: 1664 Sp., Bd. 2: Sp. 1669-3470 Sp., deutsch-lateinisch: 1 Bd., 2378 Sp. (antiqu. zus. 184,- EUR, die lat.-dt. Bde. allein 26,-/50,- EUR, der dt.-lat. Band allein EUR 48,-/62,-)

Die 7. Auflage hat Lünemann, der 1830 nach langer Krankheit starb, nicht mehr vollenden können.  An seine Stelle trat als neuer Bearbeiter Karl Ernst Georges.


Franz Xaver Schönberger hat Schellers und Lünemanns Wörterbuch zu einem "Schul-Lexikon für die Österreichischen Staaten" umgearbeitet:

* Wien und Triest 1818-20 (Geistinger), 3 Bde., Bd. 1: lateinisch-deutsch, A-L, 968 S., Bd. 2: lateinisch-deutsch, M-Z, 960 S., Bd . 3: deutsch-lateinisch, 1054 S. (antiqu. zus. EUR 38,-) ["von neuem durchges., verb. u. verm. durch G. H. Lünemann, ... zu einem allgemeineren Gebrauche mit beträchtlichen Vermehrungen hrsg. von Franz Xaver Schönberger"]


Vgl. auch Georges, der nach Lünemanns Tod neuer Bearbeiter wurde und das Wörterbuch dann über Jahrzehnte hinweg betreute.


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